Schicht um Schicht (Marmor)
von Ingrid Heidrich-Siggelaki
Lieber Stein,
wenn es passiert, so ab und an,
-die Arbeit geht nur schwer voran,-
in Ungeduld und voll Verzagen,
beginn ich schon mal, mich zu fragen:
wär´s nicht mit Farbe, auch mit Ton
viel schneller, leichter,
säh´ den Lohn
nicht erst nach Wochen?
Du bist geduldig, hörst nur zu,
geborgen in ganz eig´ner Ruh.
Doch gibt´s ein Maß, wenn überschritten,
dann platzt Du: „Hab´ genug gelitten!
Was glaubst Du denn, wie ich mich fühl´?“
Tust Du mir kund, jetzt hart und kühl.
„Mich stets mit andren messen müssen
und Angst zu hab´n vor Deinen Schlüssen,
tut nicht nur weh, ist auch nicht fair!
Erinn´re Dich, da war mal mehr ….
Nichts, niemand hat Dich je gezwungen,
mir nah zu sein, hast Du gedrungen.
Du hattest Auswahl, noch und noch;
dass Du mich wähltest , hieß dann doch:
Du wolltest mich. Oder nicht?
Drum hör´ jetzt auf mit Jammern, Klagen,
schlägt Dir ja doch nur auf den Magen.
In mir ganz andre Kräfte walten
und langsam werd´ ich ungehalten
.
Dass nie ein Leichtgewicht könnt´ sein,
hast Du gewusst und ließt Dich ein.
Für einen Stein zeigt´ ich mich offen;
denn Deine Liebe ließ mich hoffen,
dass Du das Licht suchst, das mir eigen
und wollt´ es Dir auch wirklich zeigen!
Sehr stark verdichtet ist mein Glanz,
das Gegenteil zu eitlem Tanz.
Schnell, einfach kann es nicht gelingen,
mich zu versteh´n, lässt sich nicht zwingen.
Ob es Dir passt nun, oder nicht,
es geht nur langsam: Schicht um Schicht.
Auch steht Dir frei, mich zu verlassen.
Ich werd´ Dich nicht deswegen hassen,
nur traurig sein.“
Manchmal bedarf es einer solchen Abreibung.