Abschied (Marmor)
von Ingrid Heidrich-Siggelaki
Als Rohstein lagst Du einst herum,
zum Teil schon glitzernd, sonst noch stumm.
So nahmst Du meinen Blick gefangen,
und ich bin zu Dir hingegangen.
Ich mochte Dich, hab´ Dich genommen,
und Du bist dann mit mir gekommen.
Wenn man so will: Ein ungleich Paar …
Ich möcht´ erzählen, wie es war:
Voll Spannung hatt´ ich das Bestreben,
Dir nah zu sein und konnt´ das eben
natürlich nur auf meine Art:
als Mensch mit Werkzeug, sanft , auch hart.
Zunächst die Krusten weggenommen,
so hast Du noch mehr Licht bekommen
und zeigtest Dich bereit, befreit
und schutzlos.
Du forderst klar, wenn auch noch leise
auf Deine Dir ganz eig´ne Weise:
„O.K. ich bin bereit zum Wandel,
drum schlag ich vor, Dir, einen Handel:
Wenn wir den Weg woll´n weitergehn,
dann musst Du immer zu mir stehn!
Nur dann werd´ schenken meinen Glanz,
wenn Du mich achtest, voll und ganz.
So kam´s dann auch, wenn, zerstreut und müde,
ich etwas wollte, wurd´st Du rüde,
wurd´st hart und spröde, warst verschlossen
und beide hab´n wir´s nicht genossen.
Und dann gab es die and´ren Zeiten,
wo Rücksicht, Freude uns begleiten,
Zusammenspiel, und das nicht selten,
nun nicht mehr aus getrennten Welten.
Und Marmor hält Versprechen ein,
zeigt sich im Glanz jetzt,
rein und fein
Eine Skulptur ist entstanden.
Doch dann geschieht ´was,
wie´s noch nie war:
Du präsentierst Dich stolz als Diva.
Du stellst Dich aus, genießt den Ruhm,
und ich kann nichts dagegen tun.
Du liebst die Blicke, die begehrlich,
sie schmeicheln Dir, und sind wir ehrlich,
so hast Du längst schon angefangen,
den Weg, den wir zu zweit gegangen,
zu verlassen.
Es schmerzt, das muss ich wohl bekennen,
weil ja nach langer Zeit das Trennen
ein Abschied ist.