Marmor von Ingrid Heidrich-Siggelaki Wach endlich auf, so spricht der Stein: Ich will dann Kraft und Trost Dir sein. Selbst habe ich erlebt sehr viel, wie ich so wurde, war kein Spiel. Entstanden durch die Urgewalten, konnt ´oft ich meine Form nicht halten: war flüssig, pulvrig, leicht, mal träge, so viel geschah auf meinem Wege. Heut bin ich weise, sehr erfahren, kein Wunder nach Millionen Jahren. Wenn ich nun seh´ Dich Menschenkind, wie Du Dich mühst in Hast, ganz blind… dann werd ich traurig. Nicht selten rast du durch Dein Leben, kaum Zeit, dass Bande sich könn´ weben zu Menschen, Tieren, Pflanzen, Stein und manchmal bist Du sehr allein. Ich könnt’ Dir helfen, spricht der Stein, bist Du bereit und lässt Dich ein auf mich und meine Art zu sprechen, dann könnten bald schon Dämme brechen. Uralt bin ich und auch sehr schwer, wirk´ fest und hart und bin doch mehr… Fühl einfach mal mit Deiner Hand mein Außen: scharf, rau und kantig, schon ein Band von Stein zu Mensch. Wenn Du nun willst Dich nähern mir, dann schau zunächst einmal bei Dir: Was will ich? Will ich mit Härte, Macht gestalten, mit Hammer,  Meißel heftig walten? Zu schaffen letztlich eine Form, die dann entspricht der gäng´ en Norm? Oder vielmehr will Stein so lassen, sein Wesen zunächst mal erfassen? Und dann behutsam, doch mit Kraft das Äußre schälen? - Ist´s geschafft, dann werd ich mich schon anders zeigen, mein strahlend Weiß wird nicht verschweigen, was meine Mängel sind und Stärken, Dir Richtung geben für Dein Werken. Ich selbst fühl´ mich jetzt schon befreit und bin zum Dialog bereit. Gemeinsam an die Arbeit nun, wir hab´ n mit Schicht um Schicht zu tun. Ganz einzigartig bist auch Du! Begegne mir mit eigner Ruh und lern ´mich (und Dich) Klopf um Klopf erkennen und eines Tags, wie soll ich´s nennen? Werden wir beide vor Freude strahlen!
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